Kapitel Echo. Diskurs / chapter echo. discourse

Meinungen / Diskurs

 

Kommentar
Martin Nauhaus   [ Samson - Prototyp des gescheiterten, nicht geläuterten Sünders ]


Datum


Kommentar

24.11.2015,
19:09

Ich glaube nicht an die Richtigkeit der Grossmanschen Assoziation mit „Selbstmordattentätern“, sondern
vielmehr, daß Samson seinen eigenen Tod „billigend in Kauf genommen“ hat, ohne ihn wirklich zu wollen.
Wie mit seinen früheren Taten („Sünden“), glänzt Samson auch hier (bei der Zerstörung des Philistertempels)
nicht gerade durch vorbildhaftes Heldentum – eher zeigt diese Tat, daß Samson nicht die Größe hat, seine
gerechte Niederlage einzugestehen und sein (ohne Zweifel schweres) Los hoffnungsvoll zu tragen, sondern, daß
er in einer zwar schlimmen, aber vielleicht nicht vollkommen ausweglosen Situation einzig den Weg der Rache
sieht und beschreitet.
 
Die vermeintlichen Opfertaten heutiger Suizidattentäter unterscheiden sich auch noch in einem anderen
wichtigen Punkt von der Rachetat des Samson: Samson dient keiner höheren Macht (wie jene von sich
glauben) – insofern ist seine Anrufung JHWHs Heuchelei –, sondern er handelt durchaus egoistisch nach dem
Motto „Bekomme ich nicht, was ich will, so sollen auch die anderen leiden“.
 
Im übrigen ist er nicht in der Lage, für seine Taten geradezustehen, denn er nimmt Rache für seine Blendung
durch die Philister, welche wiederum die Rache für seinen ungerechten Zorn gegenüber diesen war.
Die Suizidattentäter unserer Tage hingegen töten Unschuldige für eine Idee: jene seien Ungläubige und daher
nicht wert zu leben. Eine solche Idee dem Samson zu unterstellen und zur Rechtfertigung seines erweiterten
Suizids zu machen, halte ich für falsch.
 
Um noch einmal auf das (nicht) vorbildhafte Heldentum zurückzukommen: das Leben des Samson – wie ganz
besonders auch sein Tod – kann meines Erachtens nicht zuallererst durch Verzweiflung erklärt werden:
„Ausgegrenzt, abgehängt, gedemütigt, perspektivlos, wenn Enttäuschung die Hoffnung erstickt und
Verzweiflung in Wut umschlägt“ (T. N.) – das alles sind Folgen, nicht Ursachen.
 
Freilich ist Samson eine tragische Gestalt, dies aber durch eigene Schuld und nicht durch äußere Einflüsse.
Insofern ist Samson für mich eher ein möglicher Prototyp des (gescheiterten, nicht geläuterten) Sünders.
Inwieweit dies Grundlage für künstlerische Verarbeitung sein kann, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Samson ist nicht im „Wettstreit um Unterwerfung und Dominanz mit der vorherrschenden Kultur“ (T. N.),
sondern im Kampf gegen sich selbst und gegen das Gute in sich.

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